Lanz Bulldog - ein eigenwilliges Konzept
Ohne den Bulldog sind heute Alt-Traktoren-Treffen so wenig vorstellbar......, als würde es Mittag ohne Kartoffeln geben. Wer so einen Oldie haben möchte, muß auch tiefer in die Tasche greifen. Und das ist schon recht merkwürdig, scheiden sich doch beim Lanz Bulldog die Geister. Es ist lange her, da wurde er als erster Schweröl-Schlepper der Welt auch zu Deutschlands bekanntestem Trecker. Mit seiner eigenwilligen Technik nahm er aber zwischen den allmählich aufkommenden und stetig verbesserten Dieselschleppern eine Sonderrolle ein und erfuhr bis zu seinem Ende sowohl hingebungsvolle Freundschaft als auch heftige Ablehnung. Seine Freunde schwärmten von ihm wie von einem guten Kameraden. Die anderen hielten ihn für vorsintflutlich.
Ein Bauer erzählte mir mal, er hätte einen ausgedienten D 4016 durch einen modernen 75iger IHC ersetzt und wie den Bulldog vorher auch in deralt Kartoffelernte vor den Sammelwagen gespannt und mit dem vollen Fuder festgefahren. „Verdammi noch mol, dat heb wie doch mit den Bulldog nie nich beleeft. Dat will ick nu ober ganz ganau weeten.“ Er spannte den Cormick ab und holte den Bulldog aus dem Schuppen, um ihn in der ausgekratzten Spur vor den vollen Wagen zu spannen. Und der PS mäßig nur halb so starke Bulldog zog den Wagen mühelos aus der eingebuddelten Spur heraus. So war der Bulldog. Und man sagte damals eben nicht zu Unrecht: „Der Lanz der kanns“.
Irgendwann ab den 60iger Jahren war dann aber endgültig Schluß mit Bulldog und Co, bis die Besucher von Oldtimer-Veranstaltungen ihn wieder entdeckten und zu ihrem Liebling erkoren. Darum ist er wieder so begehrt. Und es bleiben die schönsten Diesel unbeachtet, wenn ein alter altBulldog gestartet wird. Die Anziehungskraft des Lanz Bulldog ist schwer beschreibbar, hat aber zweifellos mit der eigenwilligen Technik zu tun. Früher warb Lanz mit seiner Robustheit, worunter häufig besseres Material verstanden wurde, nicht aber der zu weniger Schleiß führende niedrige Verdichtungsdruck der Maschine und die einfache Einspritzung. Diese Eigenheiten des Bulldog machten ihn gerade in der Anfangszeit der Motorisierung auf dem Landalt so unschlagbar, erforderten aber auch Einfühlung in die Technik und etwas technisches Geschick.
Bei unsachgemäßem Umgang verloren sich die Vorteile dieses Konzepts schnell. Denn nicht jeder bekam ihn in Gang und konnte ihn gut fahren. So war eben ein erfolgreicher Bulldog-Fahrer auch ein ganzer Kerl und ist es, seien wir mal ehrlich, bis heute geblieben. Hingebungsvollen Pflegeaufwand dankte die Maschine mit Einsatzbereitschaft und ungewöhnlicher Leistung. So wuchsen Fahrer und Gefährt zusammen. Nachlässigkeit führte zu Ärger. Vielleicht läßt sich das gespaltene Image des Lanz-Bulldog neben der aufholenden einfacher zu bedienenden Diesel-Technik auf diese Weise erklären.
Angefangen aber hat alles mal kurz vor Beginn der zwanziger Jahre. Der erste Weltkrieg war überstanden, Motorisierung kein Fremdwort mehr. In der Landwirtschaft trieben weiterhin Dampfmaschinen die Dreschsätze und Steinbrecher für den Wegebau oder zogen auf großen Gütern auch schon mal schwere Seilzug-Pflüge über den Acker. Daß die Motorisierung vor der Landwirtschaft Halt machte, lag nicht an der Güte der damaligen Motoren sondern am hohen Benzin-Verbrauch und -Preis; denn Dieselmotoren gab es noch nicht. Pferdegespanne stellten also weiter die Zugkraft auf den Feldern. Auf der Straße sah es ganz anders aus; denn Kraftverkehr war lohnender. Immer mehr Autos verbrauchten immer mehr Benzin und ähnlich leichte Kraftstoffe.
Bei deren Herstellung fiel als Abfall ein Schweröl an, das trotz seines wesentlich althöheren Energiegehalts als Treibstoff für Verbrennungsmotoren nicht zu gebrauchen war. Das Problem lag in seinem hohen Flammpunkt, während Benzin schon bei niedrigen Temperaturen verdunstet und sein Gemisch mit Luft im Motor durch einen winzig kleinen Zündfunken explodiert. Dieses billige Schweröl zum Antrieb für Motoren nutzbar zu machen, wurde also zu einer lohnenden Aufgabe für Ingenieure und Wissenschaftler. Rudolf Diesel erhielt ein Patent auf einen Schweröl-Motor, der angesaugte reine Luft so stark verdichtet und damit erhitzt, daß nach dem Einspritzen von möglichst fein vernebeltem Schweröl kurz vor OT die Verbrennung des heißen Schweröl/Luft-Gemisches erfolgt.
Die Idee war gut, nur konnte man damals so hohe Verdichtungen in Motoren und die dazu nötigen Einspritz-Drücke aus Material-Gründen weder erreichen noch die zwangsläufig auftretenden Lagerdrücke schmiermäßig beherrschen. Dazu kam die hohe Verbrennungs-Temperatur von ca 1000°C gegenüber Benzin mit ca 600°C. Erst Ende der 30iger Jahre setzte sich der Dieselmotor im Fahrzeugbau durch. Seit dieser Zeit heißt das Schweröl zum Antreiben von Verbrennungsmotoren Dieselöl. Und bei modernsten Fahrzeugen und Motoren steht noch heute der Buchstabe D für die valton Rudolf Diesel erdachte Technik.
Nun aber zurück in die Zeit vor 1920! Weil Schweröl zum Antrieb von Fahrzeug-Motoren wirtschaftlich hoch interessant war, wurde getüftelt. Wir vergessen heute oft, daß Treib- und Schmierstoffe bis heute ebenfalls eine enorme Entwicklung durchlaufen haben. Damals waren die Qualitäten noch ungleichmäßig und schlecht, die Scherfestigkeit von Schmieröl mangelhaft, die Viskosität von der Temperatur abhängig. Tankstellen waren selten und mit den heutigen nicht zu vergleichen. Treibstoffe wurden noch lange Zeit per Bahn mit 200 ltr Fässern transportiert und mußten von dort abgeholt werden. Vor diesem Hintergrund muß man die damalige Technik betrachten und bewundern.
Mit dem ersten Rohöl-Schlepper der Welt kam schließlich 1921 die Heinrich Lanz AG aus Mannheim auf den Markt, zwar nur 12 PS stark, aber einfach in der Konstruktion, günstig im Preis, genügsam im Verbrauch von Treibstoff und Schmieröl und tüchtig mit seiner großen Riemenscheibe beim Betreiben der damals vielen gebräuchlichen Standmaschinen zum Dreschen, Pumpen, Steinbrechern, Buschhacken oder zur Stromerzeugung. Er konnte auch ziehen, trecken, schleppen, woraus später die Begriffe Trecker, Schlepper oder Traktor von Traktion entstanden. Dieser Trecker war unempfindlich gegen die damaligen qualitativ unregelmäßige Kraftstoffe. Seine Instandhaltung und Wartung konnte in jeder Dorfschmiede mit ortsüblichen Mitteln erfolgen. Das war zu dieser Zeit ein Garant für Zuverlässigkeit; denn Ersatzteilversorgung per Eilboten wie heute gab es noch nicht.
Die geniale Lösung für das Schwerölproblem war sein 2 Takt-Glühkopfmotor, der das Rohöl bei nur geringem Verdichtungsdruck mit Hilfe der Strahlungswärme des ungekühlten Zylinderkopfes verarbeiten konnte. Der Treibstoff wurde schon 120° vor OT (bei modernen Dieselmotoren ca 20° vor OT), bei noch nicht aufgebautem Verdichtungsdruck also, in den glühenden Zündsack gespritzt und dort verdampft. Dementsprechend genügten Einspritzpumpe und -düse in einfachster Bauweise. Durch den geringen Druckaufbau im Motor machte die Schmierung mit den noch wenig entwickelten Schmierölen keine Probleme. Dieser Trecker erhielt von Lanz den Namen Bulldog und wurde mit seinen Nachfolgern durch die gute Bewährung in der Praxis für lange Zeit zum Begriff für eine landwirtschaftliche Zugmaschine schlechthin.
Zum Anlassen der Maschine mußte der Zündsack im Glühkopf mittels einer Heizlampe kräftig angeheizt werden. Während dieser Zeit ließen sich Schmier- und Wartungsarbeiten verrichten. Dann wurden die Zündungen durch Anpendeln mittels Griff in die Speichen des Schwungrades oder des in die Kurbellwelle gesteckten Lenkrades eingeleitet. Der zeitaufwendige Anlaßvorgang geriet aber durch das Aufholen der Konkurrenz mit ständig weiter entwickelten Dieselmotoren immer mehr zum Nachteil für den Bulldog, je wechselvoller die Einsatzbereiche in der Praxis sich wandelten.
Heute aber sind gerade diese Start Vorbereitungen der größte Publikumsmagnet bei Alt-Traktoren-Treffen. Könner auf diesem Gebiet ziehen dabei eine solche Show ab, daß der schönste Diesel unbeachtet bleibt... Während die Heizlampe mit schön blauer Flamme unter dem Glühkopf des Bulldog hängt, wird das Publikum unterhalten und abgelenkt. Beginnt sich der Zündsack etwas orange zu verfärben, holt man das Lenkrad aus dem Führerstand, um es seitlich in die Kurbelwellennut zu schieben. Unbemerkt wird gegen die Laufrichtung auf Kompression gedrückt, festgehalten und mit 3 Pumpenstößen eine anfänglich nur zu ahnende Verbrennung eingeleitet, welche den Motor ohne Pendeln und Anstrengung in Gang bringt und sofort mit bereits vorhandener Betriebstemperatur weiter laufen läßt. Inzwischen sitzt das Lenkrad wieder in seiner Halterung im Führerstand, und der Beifall brandet auf. Solche Vorstellungen sind herrlich. Sie sind auch der Beweis für den guten Zustand der Maschine und die Geschicklichkeit des Fahrers.
Wird nun auf einer Veranstaltung nach einem Glühkopf gefragt, so ist der bis jetzt beschriebene 1921 zum ersten Mal aufgetauchte und bis zu seinem Verschwinden ca. 1958 ständig weiter entwickelte, im Motorprinzip aber unveränderte Bulldog-Typ mit der „Beule“ vorne über der Vorderachse, dem so genannten Glühkopf gemeint. Es gibt einen Glühkopf-Bulldog ohne diese vordere Beule. Das ist der 16er „Schmalhans-Bulldog von 1950 mit einem Seitenglühkopf. Lanz hielt stur am einzylindrigen 2-Takt Glühkopfmotor fest, obwohl die Diesel- und die Treibstoff- und Schmieröl-Technik inzwischen weit fortgeschritten waren. Die Kundschaft aber blieb dem Bulldog treu.
Als Lanz den Wettlauf mit seinen Konkurrenten zu verlieren drohte, kamen im Herbst 1952 nach dreijähriger Entwicklung neue Bulldogs mit neuartigen Motoren aus Mannheim auf den Markt. Diese Motoren ähnelten im Aufbau den alten sehr, zeichneten sich aber durch ein vollkommen neues Brennverfahren aus. Der Zylinderkopf beherbergte keinen Glühkopf mehr, blieb aber bis auf den Düsensitz in seiner kegeligen Mitte ungekühlt. Dadurch blieb das Prinzip der Verdampfung des eingespritzten Dieseltreibstoffs erhalten, was zu einer sehr guten Verbrennung beiträgt.
Wenn Bulldogs qualmen, so ist das kein Tränen in die Augen treibendes Rußen wie bei Viertaktern sondern Ölqualm als sicheres Zeichen seiner 2-Taktigkeit. Der Übergang vom Zylinderkopf zum Zylinder war jetzt kein Flaschenhals mehr sondern großflächig, so daß mit Hilfe einer Hochdruck -Einspritzanlage von Bosch die Zündung exakt bestimmt und auf 20° vor OT vorverlegt werden konnte. Wegen der günstigen Wärmeverhältnisse im neuen Motor konnte der Kolben aus Aluminium gefertigt und die Schwungmasse reduziert werden mit der Möglichkeit höherer Drehzahlen. Die Verbrauchswerte lagen unter allen bisher im Kleindieselbereich für möglich gehaltenen 175 g/PSh. Angelassen wurde der Bulldog mittels Pendel-Anlasser und Zündkerze mit einem Benzin/Diesel-Gemisch und zeigte dabei hervorragende Starteigenschaften.
Für die damalige Zeit schon wieder nachteilig war nur, daß vor dem Abstellen vor längeren Ruhepausen rechtzeitig auf das Startgemisch umgestellt werden mußte, damit es beim Neustart zur Verfügung stand. Der Start erfolgte aber schneller als bei Dieseln, weil das Vorglühen, die s.g. Rudolf Diesel Gedenkminute, entfiel. Die gegenüber dem Glühkopfmotor etwas erhöhte Verdichtung brachte diesen Motor in die Nähe von Diesel-Eigenschaften und zusammen mit dem Benzin-Start die Bezeichnung „Halbdiesel“ ein. Immerhin betrug aber die Verdichtung nur das halbe Maß von echten Dieseln und verhalf den Schleppern aus der Halb-Diesl-Baureihe, die hinter der PS-Angabe den Zusatz 06 tragen, zu beachtlicher Robustheit und Lebensdauer und Lanz wieder zum dringend nötigen Anschluß an das Weltniveau. Erkennen kann man diese Bulldogs an der fehlenden „Beule“ über der Vorderachse und einer noch fehlenden großflächigen Motorhaube wie bei den späteren „Volldieseln“.
Schon 1955 war die Zeit der kleinen „Halb-Diesel“ vorbei. In diesem Jahr wurde eine neue Bulldog-Reihe mit ähnlichen aber verfeinerten Eigenschaften wie den Vorgängern vorgestellt. Das Aussehen hatte sich durch eine großflächige Motorhaube stark verändert und zum Vorteil des Bulldog dem allgemeinen Trend angepaßt. Auf die Riemenscheibe auf der rechten Schwungradseite konnte inzwischen verzichtet und damit die Schwungmasse weiter altverringert werden. Das verbesserte auch die Schaltbarkeit des Getriebes. Der Aufbau der Schlepper war vereinfacht worden und erlaubte eine rationellere Fertigung. Nach weiterer geringfügiger Erhöhung der Verdichtung verzichtete man auf den Benzin-Start und rüstete die Schlepper mit einer Glüh-Anlaß-Vorrichtung aus. Der Startvorgang erfolgte jetzt wie bei einem Dieselmotor und brachte ihnen darum zum Unterschied zu den mit Benzin und Zündkerze startenden „Halbdieseln“ die Bezeichnung „Volldiesel“ ein, ohne sie auch nur in die Nähe echter Diesel-Schlepper zu bringen. Die Verdichtung lag immer noch weit darunter und sollte zu einem langen Schlepper-Leben beitragen.
Allen Bulldogs ist gemeinsam, daß sie Zweitakter sind. Viertakter vertragen wegen ihrer Ventile Kühlung am Zylinderkopf aber keinen Glühkopf, wie er in abgewandelter Form praktisch auch in den „Halb- und Voll-Dieseln“ weiter verwendet wurde. Das ist wegen der sauberen Verbrennung im Glühkopfmotor ein Nachteil für die Diesel. Durch die bei allen Bulldogs praktizierte Kurbelgehäuse-Aufladung aber mußte die Schmierung der Motorteile von außen erfolgen und war somit anfälliger als die Sumpfschmierung von innen bei der Konkurrenz. Eine Kolben-Ölpumpe versorgt über Rohrleitungen den Kolben und über diesen auch den Kolbenbolzen, dazu über 2 weitere Leitungen die beiden Kurbelwellenlager. Das Pleuellager wird über einen Schleuderring und Bohrungen in der Kurbelwelle von Öl aus dem linken Kurbelwellenlager geschmiert. Überschüssiges Öl, das sich im Kurbelgehäuseboden sammelt, wird von einer Zahnradpumpe abgesaugt und über einen Feinfilter in den Öltank zurück befördert. Mit einer 3. und von Hand bedienten Pumpe läßt sich Motoröl nach längerer Standzeit des Schleppers vorpumpen.
Bei neueren Bulldogs war die Schmierölmenge belastungsabhängig. Die ganze Schmiereinrichtung ist effektiv und sicher, solange keine Eingriffe erfolgen und nach Anleitung verfahren wird. Es hat schon Bulldogs mit Wasserschmierung gegeben, weil das Kondenswasser im Öltank bis über die Absaugleitung gestiegen war. Auch hat der Bulldog das Nachsehen, wenn nach Reparaturen an der Kurbelwelle oder dem Regler Ölleitungen unsachgemäß behandelt werden. Sicher ist bei manchem Bulldog der Vorteil seiner geringen Verdichtung und der damit verbundenen Robustheit durch die kompliziertere und anfälligere Schmierung wieder verloren gegangen. Das Festhalten am ungekühlten Zylinderkopf war sicher kein Fehler, an der Einzylindrigkeit sicher um so mehr. Auch fehlte wohl seit Kriegsende der Spielraum für noch tiefer greifende Entwicklungen.
Als 1960 die Heinrich Lanz AG in Mannheim von John Deere aus Amerika übernommen wurde, gab es keine weitere in die Zukunft weisende Bulldog-Entwicklung mehr. Die nachfolgende Zeit sollte bestätigen, daß die großen einzylindrigen Bulldogs am Ende ihrer Entwicklung angekommen waren, und dem schnell laufenden mehrzylindrigen Dieselmotor die Zukunft gehörte. So starben die Bulldogs und mit ihnen technische Leckerbissen wie das Glühkopfverfahren. Zum Glück wurden aber nicht alle verschrottet. Sie gelangten durch die Oldi Szene zu einer ungeahnten neuen Beliebtheit und begeistern heute wieder Jung und Alt. Es sieht fast so aus, als würden es immer mehr.
Oskar